1945
Nachdem
Aufklärungsflugzeuge Wochen und Monate vorher vergeblich das Lager Wildflecken
gesucht haben (gut getarnt durch hohen dichten alten Baumbestand) -
Flugzettel mit der Aufschrift "Wildflecken im letzten Loch, wir finden
dich doch" - abgeworfen wurden, zogen am 7. April 1945 amerikanische
Truppen mit Ketten- und Radfahrzeugen in den Ort Wildflecken ein. Nachdem
ein Wildfleckener in die Hände der Amerikaner fiel, erhielt dieser den
Auftrag in den Ort zu fahren und die Nachricht zu überbringen, dass
der Bürgermeister ein weiße Fahne hissen soll, damit der Beschuß eingestellt
wird. Dies geschah dann auch. Bürgermeister Götz fuhr mit den US-Einheiten
durch den Ort und befahl allen Anwohnern ebenso die weiße Fahne zu hissen.
Durch den Beschuß entstand Sachschaden. Das Bürgermeisteramt mußte schleunigst
geräumt werden. Amerikanische Soldaten warfen Akten und andere Schriftstücke
auf die Straße, so die Aussage von verschiedenen Zeitzeugen.
US-Einheiten
zerstörten und bauten die militärischen Anlagen auf dem Truppenübungsplatz
ab. Übungen fanden bis auf weiteres keine mehr statt. Die noch erhaltenen
Ortschaften Reußendorf und Werberg, sowie Dalherda wurden von Vertriebenen
aus deutschen Ostgebieten wieder besiedelt; ebenso die Häuser am Arnsberg
und Haus Franken. Manche Familien und deren Nachkommen leben heute noch
in unserer Gegend.
Während
des zweiten Weltkrieges befanden sich polnische, belgische, französische
und russische Kriegsgefangene, die aus verschiedenen Mannschaftsstammlagern
(STALAG) kamen, auf dem Truppenübungsplatz. Das Lager der russischen
Gefangenen befand sich an der Stelle des ehemaligen Munitionsdepots
(ASP3) der US Amerikaner. Nachdem die Amerikaner Wildflecken (7.4.1945)
besetzt hatten, kehrten inhaftierte Belgier und Franzosen in ihre Heimat
zurück. Russen und Polen mußten noch Monate ausharren.
Ca.
20000 Russen, ehemalige Gefangene, Fremdarbeiter und Verschleppte wurden
in das Lager gebracht. Bruno Kleinheinz aus Wildflecken war kommissarischer
Bürgermeister. Während dieser Zeit gab es unzählige Raubüberfälle sowie
Diebstähle in Wildflecken und den angrenzenden Ortschaften. Aber auch
die einheimische Bevölkerung beteiligte sich an den Plünderungen aus
dem Hauptlager sowie Heeresverpflegungsamt. In dieser Zeit wurde auch
ein Zug mit ca. 450 Tonnen Lebensmitteln geplündert.
Das
Lager wurde mit ca. 17000 Polen belegt. In der Munitionsanstalt lagen
amerikanische Kompanien des 778th Tank Bataillon . Die Diebstähle hielten
unvermindert an; eine Ortswache wurde gegründet. Dieser Zustand sollte
bis zur Währungsreform im Juni 1948 andauern. Ein Hauptgrund hierfür
waren die schlimmen Verhältnisse innerhalb des Lagers sowie im gesamten
Landkreis Brückenau (keine oder kaum Arbeit, unbeschreibliche Armut,
Schwarzhandel,.....)
Der
Mangel an Feuerholz veranlaßte die Lagerinsassen, die Bäume, die das
Truppenlager so getarnt hatten, zu fällen. Riesige Kahlschläge entstanden
auch in den angrenzenden Wäldern. Aber selbst in den Dachstühlen der
großen Unterkunftsgebäude wurden Sparren und Bretter als Heizmaterial
herausgeschnitten. Tag und Nacht rauchten die Schlote in den vielen
Gebäuden. Eine Unmenge Holz wurde gebraucht, um die Lagerinsassen satt
zu machen (ca. 150 Tonnen Brot wurden täglich gebacken).
Quellen:
Gerwin Kellermann "475 Jahre Wildflecken 1524 - 1999" (Auf diesem Weg
ein herzliches Dankeschön für die spontane Genehmigung vom 21.04.2001)
sowie diverse andere Schriftstücke aus Privatbesitz. Zahllose Gespräche
und Erzählungen von älteren Dorfbewohnern sowie ehemaligen Beschäftigten
der US-Armee der "ersten Stunde" (ab März 1951).
Zusammengestellt:
Walter Kömpel, Oberbach, Deutschland Wkoempel@t-online.de
Fotos: Janie Micchelli, Newtown, PA, USA und Archiv Leitsch, Modlos,
Deutschland |